Wie KI den Bürger-Dialog mit der Verwaltung verbessern wird

Letzten Sommer erhielt ich ein Schreiben aus einer Dresdner Verwaltung, die mich aufforderte:

“Gemäß den gültigen Vorschriften und in Übereinstimmung mit den geltenden Grünflächenverordnungen […] die notwendigen Maßnahmen zur Durchführung eines angemessenen Großgrünschnitts zu ergreifen, um die ordnungsgemäße Pflege und Instandhaltung des besagten Gartenareals sicherzustellen.”

Großgrünschnitt erinnerte mich sofort an das Parkareal im Herzen Dresdens – dem Großen Garten – und ich fühlte mich zunächst nicht angesprochen. Ich habe eine kleine Parzelle hinterm Haus mit einem mittlerweile gut gewachsenem Baum, aber kein Großgrün. Oder doch? Was ist eigentlich Großgrün?

Ich suche Formular A38

Die öffentliche Verwaltung hadert seit Anbeginn mit der Erwartungshaltung ihrer Kunden (den Bürgern) einerseits und ihrem Selbstverständnis als perfekte Institution anderseits. Zwar will man schon für den Bürger da sein und nach wohlüberlegten Regeln handeln, dennoch soll darin kein Widerspruch Raum finden. Alles sollte zweifelsfrei geklärt und glasklar definiert sein. Hier bedient sich die Verwaltung einer eigenen Sprache – dem Verwaltungs- oder Beamtendeutsch – einer Sammlung spezieller Begriffe, die dem “Eingeweihten” logisch scheinen, dem Normalbürger häufig jedoch Kopfschmerzen bereiten. Warum schreibt man nicht Baum und stattdessen Großgrün (denn zu dessen Beschnitt fordert mich der Brief eingangs auf)? Weil auch große Hecken damit gemeint sein könnten, die nicht unbedingt Bäume sind.

Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) soll seit 2017 die Verwaltung digitaler werden und der Zugang für Bürger erleichtert werden. Letztere sollen Behördenbesuche auch online wahrnehmen und Formulare digital einreichen können. Dass der Vater des Gedankens zwar nobel war, ist unbestritten, dennoch hat sich in den letzten Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes gezeigt, dass auf dem Weg noch zahlreiche Hürden genommen werden wollen. Unterschiedliche Systeme und Datenquellen, Sicherheitsbedenken, rechtssichere Kommunikation zwischen Bürger und Amt oder zeitnahe Bearbeitung sind nur wenige Beispiele für die Aufgaben, die vor der Verwaltung noch liegen.

Suche oder zentrale Ablage?

Prinzipiell gibt es zwei Herangehensweisen, Informationen bereitzustellen. Verfechter einer einheitlichen Zentrallösung – einem Dokumenten-Management-System (DMS) – vertreten die Ansicht, alle Informationen in einem einzelnen System bereitzustellen. Der Verwaltungsmitarbeiter überträgt seine Dokumente in eine Software, die ihrerseits die Ausgabe, den Zugriff oder die Versionisierung regelt. Das setzt jedoch ungeheure Disziplin beim Mitarbeiter voraus und erfordert eine umfangreiche Datenmigration aus gewachsenen Systemen, die alle bisher eine Daseinsberechtigung hatten (das System für das Passwesen, das System für die Bauanträge, das System für Bußgelder).

Die alternative Philosophie dazu ist eine zentrale Suche, die ihrerseits alle Datenquellen anzapft und durchsuchbar macht. Dabei können die unterschiedlichen “Welten” aus Passmeldesystem, Bußgeldstelle, etc. gerne in ihren Systemen weiterarbeiten. Der Nutzer findet die relevanten Informationen, ohne sich Gedanken zu machen, wo diese abgelegt sind.

Swimmingpool oder Schwimmbeckenanlage in der Sprache der Verwaltung? Egal!

Mit der Anbindung von künstlicher Intelligenz kann der Bürger auch ohne Kenntnisse der Verwaltungssprache die richtigen Informationen aus den bereitgestellten Systemen heraussuchen. Anstatt also überlegen zu müssen, wie das Formular zum Bau eines Swimmingpools heißt, gibt er einfach die Frage ein.

Möglich macht das zum einen eine übergreifende Suche über alle Datenquellen der Behörde und zum anderen ein integriertes Large-Language-Modell (z.B. GPT-4, Gemini oder Aleph Alpha). Dieses erlaubt die Verarbeitung von kompletten Fragen, zerlegt diese in die wichtigsten Bestandteile und sucht anschließend nach den besten Dokumenten. Dabei ist es unerheblich, ob diese Begriffe darin überhaupt vorkommen. Die KI-Suche erkennt den Zusammenhang aus den im Dokument verwendeten Wörtern und liefert auch Dokumente, die “Schwimmbeckenanlage” anstatt “Swimmingpool” beinhalten.

Was wurde letztens im Stadtrat beschlossen?

Ein weiterer Aspekt ist eine verbesserte Transparenz in behördlichen Entscheidungen. Manchmal – beabsichtigt oder nicht – tendieren Behörden dazu, Entscheidungen zu verschleiern. Wer sich nicht durch unzählige Protokolle quälen will, kann auch hier eine KI nutzen. Für meinen Arbeitgeber habe ich ein derartiges System aufgebaut, welches als Datenquelle die öffentlichen Ratsprotokolle der Stadt Dresden mit GPT verarbeitet. Auf die Frage, was die Stadt Dresden anlässlich des bevorstehenden Elbhangfestes plant, sucht die Suchmaschine zunächst alle relevanten Dokumente, verarbeitet diese zu einer Abfrage an GPT und liefert mir eine zusammenfassende Antwort. Ohne, dass ich mühsam 1.500 Protokolle sichten muss.

Fazit: KI in der Verwaltung stärkt den Bürger-Dialog

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Einführung von künstlicher Intelligenz in die Verwaltung nicht nur eine technologische Weiterentwicklung darstellt, sondern auch einen bedeutenden Schritt in Richtung einer effektiveren und bürgerfreundlicheren öffentlichen Verwaltung bedeutet. Die Möglichkeit, komplexe Verwaltungssprache zu übersetzen, Informationen leicht zugänglich zu machen und Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten, trägt dazu bei, das Vertrauen der Bürger in staatliche Institutionen zu stärken und den Dialog zwischen Regierung und Bürgern auf eine neue Ebene zu heben. Es ist klar, dass die Zukunft der Verwaltung durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz geprägt sein wird, wobei das Hauptaugenmerk darauf liegt, den Bedürfnissen und Erwartungen der Bürger gerecht zu werden und eine effizientere, transparentere und bürgernahe Verwaltung zu gewährleisten.